Ich bin unterwegs in der Bielefelder Altstadt und auf dem Weg zum Laden „DER HUTMACHER“ von Mattias Lueb. Ich öffne die Tür und meine Augen tauchen ein in offene Regale mit Hüten, Kappen und Mützen für Frauen und Männer. Lässige Kappen, garnierte Haarreifen, Fedora, Trilby und Bogarts, winterliche Flatcaps, lässige Beaniemützen ebenso wie sommerliche Strohhüte und Pork Pies. Alles fein säuberlich gestapelt und geordnet.

Mattias Lueb begrüßt mich mit Handschlag und heißt mich herzlich willkommen. 

ML. Ich komme aus einem Akademikerhaushalt und habe als Erstes eine Schlosserlehre, mit 16 Jahren gemacht und anschließend Metallbauer gelernt. Danach kam der Zivildienst um die Ecke, den ich in Köln absolvierte. Und nach dem Zivildienst kamen noch drei Jahre in dem Altenheim, wo ich Zivi war, als Altenpflegehelfer dazu.  Dann habe ich gedacht: Du machst noch eine Ausbildung als Krankenpfleger, weil als Helfer wollte ich nicht weiterarbeiten. Ich musste die Ausbildung aber leider noch 2,5 Jahren abbrechen, wegen einer Bandscheibengeschichte. Dann wusste ich erst mal gar nicht mehr weiter, was ich so machen wollte.

Mein Bruder ist in Hamburg Unternehmensberater, der kennt einen Jobpsychologen, bei dem ich war und da kam ziemlich schnell raus, dass ich Modist werden sollte. Daraufhin habe ich dann ein paar verschiedene Praktika gemacht und einen Ausbildungsplatz in Witten beim Hut Salon bekommen. Im Hut Salon habe ich sehr viel gelernt, da wir sehr viel für Theater, Opern gearbeitet haben und unsere Arbeit bis nach New York gefragt war. Eine großartige Ausbildung. Zu guter Letzt habe ich meine Frau kennengelernt, die aus Harsewinkel kommt. Und da mir klar war, dass ich in Harsewinkel in meinem Beruf keinen Job finden würde, kam mir die Idee einen eigenen Laden in Bielefeld aufzumachen.

ML. Ich finde, so was muss sich entwickeln im Laufe der Jahre. Es hat sich in 10 Jahren vieles verändert. Ich habe mich verändert, meine Ware hat sich verändert. Das benötigt auch alles erst mal Zeit und muss sich entwickeln. Du hast ja gehört, was ich ursprünglich gelernt habe; ich bin kein Einzelhändler; das musste ich alles neu erlernen.

Was den Laden ausmacht, ist das, dass ich mit meinen Kunden ehrlich bin, größtenteils ehrliche Ware habe, ehrlich berate und als Fachgeschäft optimal aufgestellt bin. Auch mit den Größen. Ich kenne viele Geschäfte, die nur bis Kopfweite 60 gehen und dann ziehen die höher. Ich habe bis Größe 64 alles da, angefangen ab 55, das ist das, was mich so ausmacht.

ML. Das werde ich oft gefragt: „Wer kauft den bei Dir ein?“ Ich sage mal: „Alle.“  Es gibt jetzt nicht, dass man sagen kann, hier kommt jetzt nur der und der rein. Natürlich verdient man sein Geld mit Leuten ab 55 Jahren, aber es ist der ganz normalen Kunden. Was sicherlich schlecht ist, aber mir zugutekommt, ist der Klimawandel. Denn vor 15 Jahren, als ich meine Lehre gemacht habe, da war der Sommer eine Katastrophe. Sonnenschutz ist jetzt ein riesengroßes Thema, denn es betrifft jeden Menschen und nicht nur die, die aus einer bestimmten Szene kommen. Jeder benötigt heute Sonnenschutz. Ich habe jeden Tag, nicht heute bei dem Wetter, zwei Kunden, die sagen – ich will nicht, aber ich muss. Die direkt vom Arzt kommen, weil sie etwas auf der Nase, oder was an den Ohren haben, oder Kunden, die vorbeugen und einen Sonnenschutz tragen wollen.

ML. Ich habe eine Frau und zwei Kinder. Natürlich stehe ich auch morgens auf, um Geld zu verdienen, damit für meine Familie der Kühlschrank voll ist. Meine Frau ist Krankenschwester, arbeitet halbtags, und ich bin ganz ehrlich – Mattias macht eine lange Pause … es gibt auch wirklich Zeiten, da stehe ich unter Druck, weil der Einzelhandel einfach so ist. Egal, wie gut ich bin, wie gut meine Ware ist – der Kunde muss kommen. Ich kann dann nicht beeinflussen. Heute haben wir 6 Grad und Regen und ich weiß ganz genau, heute wird es erst mal schwierig werden, um den Kunden hier hereinzukriegen.

Egal, wie gut deine Ware ist, wie gut man sich anzieht, oder wie gut du bei Instagram eine Story postest. Wenn es draußen sechs Grad sind und es regnet, dann weiß ich es wird schwierig und das ist das, was mich manchmal zerreißt.  

Was ich am liebsten mache, ist einkaufen. Wenn die Vertreter mit ihren Mustern und Stoffen kommen und ich sie dann aussuche, das liebe ich schon. Auch der Verkauf liegt mir. Das mache ich schon gerne.

ML. Das sollte für uns alle ein essenzielles Thema sein, für uns als ganze Gesellschaft. Für mich ist es für meinen Laden essenziell. Es gibt ein, zwei Marken, an denen kommt man nicht vorbei – die müssen einfach im Sortiment sein. Ich empfinde es als wichtig, wenn neben diesen großen Marken, die in meinen Augen nicht sehr nachhaltig sind, es dann andere Marken gibt. Marken, wie Bullani oder City Sport, die unglaublich nachhaltig und für meine Kunden interessant sind. Mit ein, zwei kurzen Sätzen kann ich die meisten meiner Kunden auch überzeugen. Bei den Herstellern sitzt nicht ein solch großes Marketing dahinter wie bei bekannteren Herstellern. Aber bei City Sport, die ja alles in Europa produzieren, Bullani ja alles in Deutschland, hat Bullani eine Schiebermütze herausgebracht, da wird der Leinen in Österreich produziert, die Baumwolle in Deutschland und das Futter in Deutschland. Natürlich wird die Mütze auch in Deutschland zusammengenäht und kostet 99 EUR, was fair ist. Das würde bei bekannten Herstellern, das doppelte bis dreifache Kosten und das kann man dem Kunden schon vermitteln. 

Die Kunden werden immer unsicherer gerade mit Textilien, wollen keine Fehler machen und große Marken geben Sicherheit. Dann kommen Kunden in den Laden und sagen, ich hätte gern etwas vom Marktführer. Dann frage ich, muss es den unbedingt von der Marke sein? Ja, ich kenne nur die … und dann zeige ich denen mal etwas anderes und viele, nicht jeden bekommt man dann auch zum Nachdenken. Ich habe eine Strickmütze gehabt, seit zehn Jahren, eine Kaschmirmütze, die aus China kommt. Das war vor zehn Jahren kein Thema, hat niemanden interessiert. Mittlerweile schaut sogar Tante Trude auch hinten draufschaut und sagt, schau mal, die kommt aus China. Das möchte ich nicht mehr. Jetzt habe ich jemanden, der mir Strickmützen in Deutschland produziert – Grote. Die sind im Gegensatz zu den anderen nur 9 EUR teurer.